Bikepacking & Ernährung: Wie du dich auf Tour clever versorgst

Ein Interview mit Ernährungsberaterin Tamara Wüthrich

Ob Energie-Einbruch, Verdauungsprobleme oder Heisshunger – wer mehrtägig mit dem Fahrrad unterwegs ist, kennt die Herausforderung: Wie versorge ich meinen Körper optimal, ohne viel Kochaufwand oder frische Küche? Wir haben mit der Schweizer Ernährungsberaterin Tamara Wüthrich gesprochen. Im Interview verrät sie, warum regelmässige Energiezufuhr so wichtig ist, wie du Verdauungsprobleme vermeidest – und weshalb emotionales Essen auf Reisen völlig okay sein darf. Das Thema wurde im Blog “Einsteiger Guide” bereits angeschnitten – hier gehen wir tiefer in die Details.

Tamara Wüthrich ist ausgebildete Ernährungsberaterin und auf ganzheitliches Wohlbefinden spezialisiert. Auf Instagram ist sie als @vitaemin_taemi unterwegs und teilt dort alltagstaugliche Tipps rund um Ernährung, Achtsamkeit und Verträglichkeit. Ihre Philosophie: Ernährung soll funktionieren, aber auch Freude machen – und sich dem Leben anpassen, nicht umgekehrt. Wir haben sie gefragt, wie das auch auf längeren Radtouren gelingt.

Bikepacking & Ernährung
Snacks als Nahrung auf Bikepackingtour

„Gut essen heisst für mich: Ausgewogen, alltagstauglich und bewusst.“

Tamara, du arbeitest mit dem Fokus auf ganzheitliches Wohlbefinden. Was bedeutet für dich „gut essen“ – besonders im bewegten Alltag?

Gut essen heisst für mich, abwechslungsreich und ausgewogen zu essen – mit komplexen Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten. An Tagen mit viel Bewegung setze ich vor dem Training auf schnell verfügbare Kohlenhydrate und danach auf eine Kombination von Kohlenhydraten und Proteinen, um die Regeneration zu unterstützen.

Was motiviert dich, Ernährung nicht nur funktional, sondern auch emotional zu betrachten?

Weil Ernährung sehr individuell ist. Was für den einen funktioniert, passt für die andere vielleicht gar nicht. Ich finde es spannend, mit meinen Klient:innen herauszufinden, was für sie persönlich stimmig ist. Ernährung ist kein Massenprodukt – sie muss zum Leben passen.

Bikepacking & Ernährung: „Hunger stresst – und das beeinflusst auch deine mentale Stärke.“

Bikepacking ist körperlich fordernd – aber auch mental. Wie kann Ernährung helfen, stabil zu bleiben?

Unser Blutzuckerspiegel beeinflusst direkt unsere Stimmung. Wenn wir zu wenig essen, produziert der Körper Stresshormone wie Cortisol – und das kann uns mental instabil machen. Deshalb ist es unterwegs enorm wichtig, regelmässig kleinere Portionen Kohlenhydrate zuzuführen. Hungern ist kontraproduktiv – körperlich und psychisch.

Viele essen unterwegs zu viel oder zu wenig – wie kommt man wieder ins Gleichgewicht?

Akzeptanz ist der erste Schritt. Wenn du zu wenig gegessen hast, kannst du schnell mit kleinen Snacks wie Riegeln oder Trockenfrüchten gegensteuern. Wenn du zu viel gegessen hast, hilft nur Geduld – und: das Tempo drosseln. Die Verdauung in voller Belastung ist gehemmt.

„Achtsames Essen ist auch auf Tour möglich – mit kleinen Ritualen.“

Du sprichst viel über achtsames Essen. Wie funktioniert das unterwegs, wenn man müde oder hungrig ist?

Nimm dir auch auf Tour Zeit fürs Essen. Ein kurzer Check-in – Was schmeckst du? Wie fühlst du dich? – kann helfen. Wenn du sehr hungrig bist, versuch trotzdem langsam zu essen. Eine Faustregel: Jeden Bissen 30 Mal kauen. Und – ganz praktisch – lieber kalte Reste vom Abendessen mittags essen, als sich unter Zeitdruck etwas Warmes zuzubereiten.

„Gut gekaut ist halb verdaut – gerade bei körperlicher Belastung.“

Viele klagen unterwegs über Verdauungsprobleme. Was sind die häufigsten Ursachen?

Oft ist es hastiges, unachtsames Essen. Die Verdauung beginnt im Mund – durch das Kauen beginnt bereits der erste Schritt der Verdauung. Wenn das fehlt, hat der Darm mehr Mühe. Besonders bei körperlicher Anstrengung ist das wichtig, denn dein Körper kann sich nicht gleichzeitig auf das Verdauen und auf das Fahren konzentrieren.

Was empfiehlst du, um den Körper unterwegs gut zu versorgen, aber nicht zu überfordern?

Schnell verfügbare Kohlenhydrate sind tagsüber sinnvoll – etwa weisser Reis, Pasta, Weissbrot, Trockenfrüchte. Am Abend dann ballaststoffreiche, nährstoffdichte Lebensmittel – z. B. Linsen, Gemüse, Vollkornbrot in Kombination mit gesunden Fetten und Proteinen. Und vor allem: auf den eigenen Hunger hören.

„Schnelle Energie ist gut – aber nur im richtigen Moment.“

Viele greifen auf Zucker oder Riegel zurück. Wann ist das sinnvoll, wann eher nicht?

Nach 60–90 Minuten Belastung neigen sich die Muskelglykogenspeicher des Körpers dem Ende zu. Dann ist es sinnvoll, Kohlenhydrate nachzuladen – etwa mit einem Riegel oder Trockenfrüchten. Aber Vorsicht bei zu viel Fruktose auf einmal – das kann den Darm überfordern. Am besten vorher testen, was du gut verträgst.

„Emotionales Essen darf sein – solange es dir damit gut geht.“

Was denkst du über Frust- oder Belohnungsessen auf Tour?

Emotionales Essen ist nicht per se schlecht. Nur wenn es mit Leidensdruck verbunden ist, lohnt sich ein Blick hinter die Gewohnheit – eventuell mit professioneller Unterstützung. Essen ist mehr als nur Nährstoffaufnahme.

Und zum Schluss: Was sind deine persönlichen Bikepacking-Essentials?

Ich liebe meine selbstgemachten Cracker und Datteln – die habe ich immer dabei. Wenn’s kalt ist, mache ich mir morgens Polenta im Thermosbecher – bleibt lange warm! Dazu ein paar hart gekochte Eier für Eiweiss. Für mich ist warmes Essen unterwegs einfach Seelenfutter.

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